TRANSFORMATION baut methodisch auf meiner letzten größeren Medieninstallation TRANSLATION auf, bei der ich mittels Einzelbildschnitt deutsche Texte aus verschiedenen nicht deutschen Sprachen erzeugt habe. Kurz zum Verfahren: Im Projekt TRANSLATION wurden vier Personen in ihren Muttersprachen (russisch, japanisch, spanisch, englisch) mit Video aufgenommen, die Passagen in kleinste Einheiten zerlegt und zu einem deutschen Text umgeschnitten. Auch (sprach)rhythmusgebende Elemente wie Sprechpausen, Atem holen, Lachen etc. sind völlig neu montiert. Das Bild ist dabei synchron mitgeschnitten. Diese nun künstlichen Reden der ProtagonistInnen wurden zu einer vierkanaligen Medieninstallation choreographiert, in der sie auf vier screens teils einzeln, teils miteinander, teils im Chor sprechen und so ein Stück in Deutsch mit vier Akzenten kreieren. Der Rhythmus folgt dabei eher musikalischen als semantischen Gesetzen, wodurch sich eine surreale Poesie ergibt, in der auch das utopische Moment des Verfahrens liegt: Das Spiel mit einer universalen Sprache, mit der Relativität bedeutungsvollen Sprechens.
Das oben beschriebene Verfahren setze ich im Projekt TRANSFORMATION in weiterführender Weise ein. Die „Übersetzung“ bezieht sich in diesem neuen Projekt nicht mehr nur auf Sprache in Sprache, sondern wird auf schriftlicher und bildlicher Ebene weitergeführt. TRANSLATION wird zu TRANSFORMATION. Damit knüpfe ich auch an andere Medienarbeiten der letzten Jahre an, in denen ich mich immer wieder mit dem Komplex Sprache, Text und Bild beschäftigt habe. Die Transformation verläuft dabei in mehreren Schritten.
1 Gesprochener Text in Originalsprache
Wie im Projekt TRANSLATION werden die ProtagonistInnen beim Sprechen ihrer Muttersprache vorgestellt. Ich habe für TRANSFORMATION fünf Sprachen aus den nicht deutschsprachigen Nachbarländern Österreichs als Ausgangsmaterial verwenden: tschechisch, slowakisch, ungarisch, slowenisch, italienisch.
2 Gesprochener Text auf Deutsch
Die Ausgangstexte werden jeweils zu Deutsch umgeschnitten. Diese deutschen Texte haben, wie gesagt, eine vom Ausgangstext völlig unabhängige, neue Bedeutung. Von mir unabhängig ist diese Bedeutung allerdings nicht. Ich höre die möglichen Elemente (Laute, Silben, Wortteile) der neuen Texte aus den alten sozusagen heraus. Es werden nicht vorgefertigte Inhalte – also Zieltexte – aus dem Ursprungstext destilliert, sondern ich werde durch das wiederholte Abhören des ersten Textes mehr oder weniger zu einer neuen Geschichte hingeführt. Ähnlich der Technik des „Hineinsehens“ von Bildern in unregelmäßige Strukturen (Wolken, Mauern, Steine, etc.), die man bereits aus der Renaissancemalerei kennt, bringt mich die lautliche Struktur gesprochener Sprache zu bestimmten Assoziation und damit zu neuen Texten. Das Verhältnis von gewonnenem deutschem Text zu Originalsprache liegt dabei bei ca. 1:15.
3 Synchronbild gesprochener Text (Deutsch) wird zu Schriftbild (Deutsch)
Die Bildaufnahmen von den Sprechenden werden nun sukzessive durch geschriebenen Text ersetzt. Das heißt zunächst erscheinen vereinzelt Wörter bildfüllend synchron zum Text auf dem screen, dann mehrere hintereinander bis ganzen Sätze in Form von hintereinander geschnittenen Wörtern zu sehen sind. Der O-Ton wird beibehalten. Die Aufmerksamkeit der Zuseher wird so von Hören und Sehen langsam auf Hören und Lesen gelenkt.
4 Schriftbild gesprochener Text (Deutsch) wird zu Symbolbild
In einem weiteren Schritt werden Teile des Schriftbilds durch Symbolbilder ersetzt. Hören und Lesen wird wieder zu Hören und Sehen, allerdings in einer transformierten Form. Dies kann auch als Darstellung dessen dienen, dass in dem Moment, wo gesprochen und gehört wird, ein inneres Bild entsteht, sowohl beim Sprechenden als auch beim Hörenden.
Claus Philipp zu TRANSFORMATION