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Die Medienwerkstatt Wien zeigt in der Ausstellungsreihe „Carte Blanche“ neue Arbeiten von drei Künstlerinnen an den Schnittstellen von Sprache, Poetik und Medienarchäologie. Die Künstlerin elffriede.aufzeichnensysteme zeigt eine Installation aus einem Kindersessel und einem kleinen Stehpult, auf dem eine lose Blättersammlung vorliegt, die 111 von der Künstlerin mit Schreibmaschinenschrift auf Löschpapier geschriebene Koans beinhaltet. Die Koans werden zudem von Band vorgelesen, wobei elffriede.aufzeichnensysteme die Sprechrollen von „e.“ und „t.“ beide übernimmt. Die Stimmen wurden gegeneinander aufgenommen, und so entspannen sich paradoxe Dialoge der Künstlerin mit sich selbst; mithilfe der medialen Aufzeichensysteme durchschneiden sich Gegenwart und Vergangenheit gegenseitig. Auch Gerda Lampalzers Installation taucht in medienarchäologische Gefilde ein, wenn sie die frappante visuelle Ähnlichkeit von an einen griechischen Meeresstrand geschwemmten Seegrashaufen mit den Magnetbändern aus den frühen Videorekordern zum Anlass nimmt, um das Phänomen der „Quietscheseuche“ (die Bänder aus den späten 1970ern haben sich bereits nach kurzer Zeit beim Abspielen aufgelöst und einen unerträglichen Quietschton erzeugt) ironisch zu bearbeiten. Ihre Wandinstallation, die weit in den Raum hineinreicht, zeigt Videos und Textzitate, die die Ästhetik der Medientechnologien und ihre historisch-materielle Verfasstheit ebenso in den Fokus rücken, wie sie auch das politisch so aktuelle Thema des Gestrandet-Seins ansprechen. Bei Sabine Maier ist Vergänglichkeit ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil ihrer Arbeit. Fünf an der Wand montierte Grableuchten, die fünf schwach beleuchtete Gläser mit giftiger Marmelade aus Tollkirschen enthalten, ziehen die Blicke der BesucherInnen auf sich. Neben den letalen Behältern ist die chemische Strukturformel der Belladonna (die sich früher Frauen als Schönheitsmittel, zur Vergrößerung der Pupillen, in die Augen getropft haben) großflächig an die Wand gemalt. Ein uralter Diaprojektor wirft daneben den Text „Hass auf die anderen und eine Mahlzeit lang auf mich“ an die Wand. Maiers Installation beschwört die morbide Kehrseite der Schönheit und verweist zugleich auf die historische und mediale Verfasstheit der Vorstellungen weiblicher Körperlichkeit.
Ferial Nadja Karrasch im artmagazine, 9.12.15