Wir fangen Neutrinos im ewigen Eis. Als es noch möglich war davon zu träumen, dass man die Hand durch die Tischplatte führen kann, weil ohnehin alles aus sich bewegenden Atomen besteht, wussten wir nicht, dass sich schon längst Neutrinos mit Lichtgeschwindigkeit durch uns durchbewegten. Am IceCube South Pole Neutrino Observatory werden seit 2010 Hochenergieneutrinos registriert, wenn diese mit Bestandteilen des Eises reagieren. Zeit für uns, den Frigidaire aus der Tiefkühltruhe zu holen und unsere Forschungsstation aufzubauen. Wenn kleinste Teilchen mit Lichtgeschwindigkeit durch den Kosmos rasen, handelt es sich um Superlative der Messbarkeit. Im Besucherzentrum werden unsere Versuche auf leicht verständliche Weise präsentiert. Da in jeder Sekunde etwa 65 Milliarden Neutrinos pro Quadratzentimeter von der Sonne auf der Erde ankommen, gehen wir davon aus, dass sich auch im Ausstellungsraum Neutrinos befinden, die nur sichtbar gemacht werden müssen.
Weiterlesen......Die fotografischen und multimedialen Arbeiten von Gerda Lampalzer und Manfred Oppermann operieren im Bereich der Inszenierung und/oder Komposition. Die Themen haben meist einen biografischen Kern in Form von Erlebtem, Gesehenem oder als Referenz auf Fundstücke aus Wissenschaft, Kultur, Medien. Die Experimente am IceCube South Pole Neutrino Observatory strahlen in ihrer Dimensionierung und Medialität eine Faszination aus, die sich auch in häufigen Pressemeldungen niederschlägt. Basierend auf einem Artikel im Standard vom 12.07.2018 – Neutrino aus direkter Umgebung von Schwarzem Loch entdeckt – entwickelten Lampalzer/Oppermann ihre Installation Across Space And Time, die sich der Vorstellung einer größtmöglichen Bewegung in der kürzestmöglichen Zeit widmet. Neues dazu gibt es mittlerweile auch unter Projekt Icecube: Jagd nach Neutrinos auf dem Südpol wird verfeinert vom 20. Juli 2019.
Die Präsentation der Arbeiten Lampalzer/Oppermanns erfolgt oft mittels Displays, die aus populären Bereichen wie Werbung, Tourismus, Massenmedien kommen und diese mit anderen Inhalten füllen. Dabei werden diese Präsentationsmedien als Einzelstücke oder Serien in Medienobjekte überführt, die mit dem Spannungsfeld zwischen Populärästhetik und Kunstobjekt spielt. Die Visualisierung von wissenschaftlichen Experimenten hat eine lange Geschichte, eine beliebte Darstellungsform von Bewegung war eine rotierende Scheibe in einem Leuchtkasten, die – nur in einem Ausschnitt sichtbar – einen gerichteten Strahl suggerierte. In Across Space and Time wird die Scheibe durch eine digitale Animation ersetzt, der Zauber bleibt der gleiche, die Bewegung wird durch Ausschnitt und Abstraktion erzeugt. Ebenso beliebt waren Guckkästen und Vergrößerungsapparaturen, die hier durch ein speziell konstruiertes Videoobjekt repräsentiert werden. Das Konzept eines Besucherzentrums ist ebenfalls „medientheoretisch“ zu verstehen. Es fungiert als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Volksbildung und macht komplexe Zusammenhänge mittels Audiovisionen, Ausstellungsstücken und Modellen anschaulich. Einschlägige Postkarten können als Erinnerungsstücke mitgenommen oder weiterverschickt werden. Lampalzer/Oppermann übertragen in Across Space and Time die Idee des Besucherzentrums in den Galerieraum, um ihre künstlerische Umsetzung der Neutrinoexperimente in Nacherfindung, Imitation und Persflage zu vermittlen.