Die Sache ist schnell auf den Begriff gebracht: Kinetik, absurde Kinetik, Nonsens-Objekte, Medien-Kritik. Aber das nützt wenig. Die Begriffe sind auf hohle Weise hochgegriffen und daran ist die eigenwillige Art dieser Maschinensachen schuld, die sich mit mildem Spott abwenden: bitte keine Kunstschubladen. Natürlich gebe ich so bald nicht auf. Ich kenne und schätze diese zugegeben ohne hervorstechende Stilambition konstruierten Geräte: folglich müssen sie irgendwo doch in jenes System hineinpassen, das die professionale Kunstvermittlung für alle Fälle bereithält. So ließe sich mit den Basteleien von Manfred Oppermann eine neue Sparte ironischer Ingenieurkunst eröffnen. Man könnte sie „subversive Arte Povera der Medienwelt“ nennen. Doch genug mit dem Spaß auf eigene Kosten. Tatsächlich zeigen die Objekte von Oppermann zuvörderst darin Charakter, daß sie sich der Konkurrenz und dem Karrierenlauf der in der Kunstszene beförderten Vergleichskunst trefflich entziehen. Gelassen, vielleicht mit einer Spur von Stolz, jedenfalls rundum souverän und unabgelenkt konzentriert sich der Autor auf sein Spiel. Wie anders hätten solche Resultate, aufblitzende Pointen, eingebettet jeweils in vielschichtig bezugsreichem Zusammenhang, erzielt werden können?
Weiterlesen......Ein Werklauf ohne den Umweg über die vermittelte Kunst; Konzepte, die zwar nicht ohne die Erfahrung der in den Siebzigern schulbildenden Konzeptkunst ausgedacht, doch schon im Ansatz gegen die Makulatur der Ideenspiele realisiert wurden: praktisch angewandt, schlüssig, witzig, bestens funktionierend. Illusionsmaschinen gegen die Illusionsmaschinerie der totalen TV-Welt, augenzwinkernde Don-Quijotterie mittels handgestrickter Vorrichtungen, die alles das zu können scheinen – und durcheinanderbringen -, was der Große Apparat mit seiner hochperfektionierten Materialschlacht eindruckschindend leistet. Oppermanns „Satellit“, eine um das Fernsehgerät kreisende Milchflasche, diese lächerliche Attrappe sendet unerbittlich die Unterbrechung des laufenden Programms. Die verblüffend simple Konstruktion zeigt Hacker-Mentalität, wobei die Wirkung des penetrant wiederkehrenden Störfalls im Verlauf der kreisenden Zeit nicht abnimmt, sondern die Zuschauer zunehmend irritiert. Die Gewohnheit der Wahrnehmung der laufenden Bilder verlangt nach ihrem Recht, die voraussehbare Wiederkehr der Ausblendung wird zum ärgerlichen Zeittakt eines plötzlich schmerzlich empfundenen Verlustes. Der Saboteur-Satellit mobilisiert einen ungeahnten Widerstand gegen sich und macht uns so die TV-Faszination in Wurzelnähe klar. Das lockere Spiel mit dem Bilder-Entzug gerät in aller Bescheidenheit zur griffigen Parabel über Terror und Gegenterror. Daß das alles ohne Ausrufezeichen geschieht, versteht sich von selbst. Die „Fernsehröhre“, ein grotesk durchleuchtetes Hausmodell der Marke Antiperfektion, verulkt und analysiert in einem das Herzstück der elektronischen Bildübermittlung. Ein zappelnder Hase unterhält uns als eingefangenes Bildprodukt, endlos fernsehbildgerecht am Flaschenboden vorvibrierend, bis der Groschen fällt.
Durchschauen durch Inbetriebnahme, das ist wohl der Weg, „Anreiben“ durch Eigenbau, das ist die erklärte Intention Oppermanns für die immer siegreiche Auseinandersetzung mit dem Großen Bruder. Es sind lächelnde Siege aus der Hasenperspektive, aus dem Sandkasten der Phantasie, mutig und unschuldig, also trickreich. Es genügt, als erstes, die Technik ihrem protzigen Design zu entkleiden: die Autorität ist futsch. Die weiteren Operationen glücken, da ja ein Kern von Bewunderung sie leitet. Denn es sollte hier keine dogmatisch fortschrittsfeindliche Destruktion vermutet werden. Unterlaufen durch umleiten, diese Variante ist das Geschäft des Konstrukteurs, der bizarr, bravourös und sehr liebevoll die erdrückende, anonym-sinnferne Macht der Illusionsmaschine in erbarmungswürdige Nacktheit umpflanzt. Der James-Bond-Film zum Beispiel – das war das erste Oppermann-Opus, das ich vor mehreren Jahren im Anschluß an ein Picabia-Seminar in Hamburg vor Augen bekam – geht mit dem Vorbild, mit dem Sujet und dessen panoramatisch kinoherrlichen Überfliegertechnik zwar hart ins Gericht, indem er den perversen Fluß der Bilder bricht und bewegte Szenen in Märchenmanier nachstellt. Doch die entlarvende Paraphrase des Heroenstoffes aus dem Kino geriet so zu einer zeitlosen Hommage des Illusionären. Die Projektionen in sechs Pappkästen – ihre Zufalls-Abwechslung gehorcht der entlehnten Programmierung einer Waschmaschine – bringen wie archäologische Fundstücke Versatzelemente verwegener Phantastik ins Bild. Unvergesslich ist das Kreisen des Flugzeugs um die Pyramide, bewerkstelligt durch eine ebenso fragile wie funktionstüchtige Vorrichtung. Man sieht, pur vorbuchstabiert, den Stoff, aus dem die Kinoträume sind.
Inzwischen ist Manfred Oppermann selbst unter die Filmemacher gegangen. Es ist klar, daß die Reflexion über die Technik, dabei der ethische Gebrauch der Mittel, ihn beschäftigt. Die neueren Objekte, wie die dreiteilige Installation „Inzwischen“ oder das poetische Projektionsstück „Eskimo“, sind jenseits der früheren Nonsens-Kinetik auf unterschiedliche Weise filmische Einlassungen auf die transparente Dreidimensionalität. Starke Objekte, wie „Roter Mund“, mit der kinetischen Mundtätovierung eines Radios aus den fünfziger Jahren, das jeden Text scheinbar synchron mitspricht, steigern ihre Wirkung durch die Videoaufnahme. So entsteht eine fließende Grenze für die Vermittlung der eigenen Arbeit. Wo soll nun diese Arbeit münden? Mit den Erfindungen widerstandsfähiger Objektmodelle hat sich Manfred Oppermann im Alleingang ein bemerkenswertes Terrain geschaffen, davon war bislang die Rede. Alles aus seiner Heimwerkstatt, cool, umsichtig und pointensicher, ist willkommen. Dennoch mag es sein, daß er auf der neuen Fährte der aufklärerischen Filmerei im Dokumentarbereich seine Erfahrung ausdehnen will. In naher Berührung mit seinem Kunstthema entstand jüngst im Teamwork ein historisch übergreifender Film, der gänzlich unorthodox gesellschaftskritisch agierte. Am Anfang war nicht die Röhre. Tief im frühkapitalistischen neunzehnten Jahrhundert begegnet dem verhängnisvollen Fort-schrittsfaszinosum der fällige „Maschinensturm“.