Lampalzer/Oppermann

Österreich 1997
16mm und BetacamSP,
65:00 min

Filmausschnitt 1: 01:40 min
Filmausschnitt 2:  01:55 min
Oktoskop-Gespräch mit
Amina Handke,
Okto Community TV,
21:42 min, 2014

 

Buch und Regie:
Gerda Lampalzer
Manfred Oppermann

Kamera, Fotos:
Manfred Neuwith
Manfred Oppermann

Ton, Montage:
Gerda Lampalzer

On-line Schnitt:
Manfred Neuwirth

Tonbearbeitung, Musik:
Heinz Leonhardsberger

Trickkamera:
Gerda Lampalzer
Manfred Oppermann

Sprachaufnahmen:
Dietmar Schipek

Produktion::
LOOP TV-Video-Film

Förderungen
BKA Sektion Kunst
Kulturabteilung des
Landes Niederössterreich

PARANORMAL

Wieder nichts zu sehen
Als ich mich in den dunklen Kleiderkasten setzte, platzte ich vor Neugierde, ob ein Bild aus meinem Auge herausstrahlen würde. Ich hatte mir extra ein einfaches Motiv vorgenommen: ein Kreuz. Würde die Kamera empfindlich genug sein, es festzuhalten. Auf dem Polaroid war jedoch nichts, nichts !!! Doch was war das ? Von der Schlafzimmerwand schwebte in ruckartigen Bewegungen das Kruzifix auf die Kamera und mich zu…
Das blaue Auge mußte ich als Zusammenstoß mit dem Stativ erklären, weil die Polaroidkamera war sowieso hin…
Wir waren gerade mit dem Interview fertig als das Tonkabel sich schlangenartig aus dem Gerätekoffer wand, Gerda auf mich zuschwebte und die Zoomoptik zur Gummilinse wurde.
Levitation und Telekinese gaben sich die Hand
…und das Videoband
…entschwand
zum Fenster hinaus. Wieder nichts gefilmt, kein bewegtes Bild, das von diesen Abenteuern sprach. Was blieb war ein Schluckauf.

Ein Film ohne Ende
Einen Film ohne Ende gibt es nicht, es sei denn man hat eine Schleife und auch die endet im Moment der Materialermüdung. Die Frage, warum der Film so endet und nicht anders, also mit richtigem Ende (man löst das Rätsel, man ist am Ziel), kann dahingehend beantwortet werden, dass dieser filmische Fluß dem der Vision und der Suche ähnelt. Es wird keine Geschichte erzählt, es kommt zu keinen dramatischen Höhepunkten, eins reiht sich ans andere. Das Ende ist und bleibt abrupt und unerklärlich, da das Thema keinen Schluss zuläßt. Die im Film geschilderten Versuche und Experimente sind Gedankenschleifen. Sie sind mit herkömmlichen dramaturgischen Mitteln nicht fassbar. Jedes versuchte Ende, das die Frage nach der Wahrhaftigkeit paranormaler Phänomene beantworten würde, wäre reiner Betrug am Zuschauer. Diese Experimente lassen keine Antwort, keine Lösung zu, da sie sich außerhalb herkömmlich beweisbarer Vorgänge ereignen. Den Film trifft das gleiche Schicksal wie das dargestellte Thema: IN BESTEHENDE KATEGORIEN NICHT EINORDENBAR.

Zwischen den Stühlen
Was treibt nun FilmemacherInnen dazu, dieses spröde Thema anzugehen. Und warum dieser Hang zum Experiment, zum Verlassen des Pfades des seriösen Dokumentarfilms, warum diese Vorliebe für den Platz zwischen den Stühlen. Die Liebe zur Erweiterung dokumentarischer Formen ist in unserer langjährigen medienpolitischen Arbeit in Medienzentren in Hamburg und Wien (unserer produktionspolitischen Heimat) angelegt. Hier  haben sich Personen zusammengetan, die nicht einen klassischen Werdegang als FilmemacherInnen beschritten haben. Hier hat sich auch die Vorstellung ausgebildet, daß sehr wohl in einem Film/Video verschiedene Formen und Ausdrucksweisen nebeneinander stehen können. Es soll gar nicht versucht werden, diese Teile glättend zusammenzusetzen. Es geht bei unserem Film ausschließlich um die Faszination am Unglaublichen und Komischen, und was uns dazu einfällt. In unserer Reinszenierung des Dokumentarischen (gestellte Versuche) werden nicht nur Methoden und Techniken des Dokumentarfilms (könnten Sie das bitte noch mal für unsere Kamera wiederholen) ironisiert, sondern zugleich unsere Vorstellung davon, wie wir paranormale Versuche gerne sehen würden, präsentiert. Nicht, weil wir es nicht geschafft haben sie zu finden, sondern weil es sie so nicht gibt bzw. nur mit uns gibt. Hier werden spezifische filmästhetische Vorstellungen, die schließlich die Inspiration für das gesamte Projekt waren, in den Film eingefügt.

Paranormale Forschung und Kunst
Was uns bei unserer Recherche bald klar wurde, waren zwei Dinge. Erstens, dass die Personen, die mit paranormalen Experimenten befasst sind (selbsttätig oder forschend), einer internen Logik folgen, die eine Betrachtung ihrer Aktivitäten von außen nicht zulassen. Es ist im wahren Sinn eine Glaubensfrage. Eine Reflexion oder Übersetzungsarbeit, die den Fragen der „Ungläubigen“ entgegenkäme, gibt es kaum. Ist das Vertrauen gewonnen, so kann man in ihre Welt eintauchen, sie aber nicht hinterfragen. Zweitens ein spezieller Umgang mit technischen Geräten. Diese werden als Medien verstanden, die als Sensorium für eine erweiterte Wirklichkeit benutzt und für diesen Zweck weiterentwickelt werden. Zugleich sollen sie auch als Beweismittel für die Existenz der Phänomene dienen. Diese beiden Elemente, Glaube und der Einsatz der Magie technischer Geräte, haben Parallelitäten zu einer künstlerischen Arbeitsweise, auch wenn sich unsere Interviewparntner nicht als Künstler verstehen würden. Wir verstehen uns als Künstler und haben die Anregungen, die diese Welt bereithält, als gedanklichen Ausgangspunkt für unseren Film genommen. Unsere Experimente in Paranormal sind aus einer praktischen künstlerischen Arbeit, die parallel zum Dokumentarfilm entstand, erwachsen. Es sind Arbeitsergebnisse, Nachvollzug von ästhetisch vielversprechenden  paraphysikalischen Versuchen aus der parapsychologischen Literatur, Erinnern an gesehenes Filmmaterial durch Nachstellen der Szenen, Verstehen durch Simulieren. In diesen Abschnitten verschaffen sich die FilmemacherInnen Luft. Hier gewinnen sie Abstand zu der Ideenwelt ihrer  Interviewpartner. Hier beginnt unser Glaube an den Film als eine eigene Wirklichkeit.

Schwebezustand
Es wäre einfach zu sagen alles Humbug oder alles stimmt. Damit wäre der Film auch als Dokumentarfilm verfehlt. Es geht ja gerade darum, den Beweismechanismus außer Kraft zu setzen, um einen Schwebezustand herzustellen. Den selben Schwebezustand, den das Thema zumindest bei uns auslöst zwischen Faszination und Interesse, Hoffnung auf unglaubliche Ereignisse, den Verdacht auf Manipulation, die seltsame Unnahbarkeit der Beteiligten, die Alltäglichkeit der Umgebungen, in denen paranormale Praxis abläuft, die Neugierde, ob was dahintersteckt, die Absurdität, die Sympathie zu den Beteiligten, die künstlerischen Anregungen, das Charisma des Glaubens, das nicht Wissen, die nicht gestellten und nicht beantworteten Fragen, die fehlenden Schlüsse usw. Durch unsere Performance wird gegenüber dem dokumentarischen anderes Material in die Höhe gehoben. Es entsteht eine Situation, in der an den Film nicht mehr die Frage gestellt werden muss, ob nun alles mit rechten Dingen zugeht oder nicht.

 

Bert Rebhandl zu PARANORMAL

Markus Wailand zu PARANORMAL